Zweieinhalb Stunden Zeit habe ich in diese Laterne investiert. Obwohl ich durchaus anderes zu tun gehabt hätte. So, wie es immer irgendetwas anderes zu tun gibt. Aber ich habe mir die Zeit genommen. Nicht für die  Blicke auf dem Laternenumzug. Die sind mir vollkommen wumpe. Ich habe mir die Zeit genommen, weil es meinem Kind wichtig war. 

Diese Laterne, dieses altmodischen Pferdekarussell, das gefiel ihr genau so gut wie mir. In der Schule wird bei uns nur in der 1. und in der 3. Klasse eine Laterne gebastelt und Eltern wissen, wie eine Laterne nach einem rabimmelrabammelrabumm BUM BUM Umzug im Dunkeln mit 300 Kindern plus Eltern und Großeltern manchmal aussieht. Nicht alle, wir haben noch ein paar wunderschöne Exemplare, die nicht komplett zerstört sind sondern nur minimal gelitten haben, aufgehoben. In einer Kiste auf dem Dachboden warten sie geduldig auf einen neuen Einsatz. Aber, nunja, mit fast 10 Jahren sieht man die eigenen Bastelkünste der letzten Jahre mit etwas kritischeren Augen als noch im Jahr davor. Es musste also eine neue Laterne her. Wir haben es bei allem, was sonst so los war, nicht geschafft, gemeinsam zu basteln. Und ja, ich hätte sicherlich auch eine komplett fertige Laterne kaufen können. Das ist genau so gut, ohne Abstriche.

Dieses Mal ging es aber gar nicht wirklich um die Laterne. Sondern um mein Kind, dass das Gefühl brauchte, dass ich mir Zeit nehme. Für sie. Für etwas besonderes. Das ist so nicht immer nötig, aber die letzten Tag haben mit viel Wut und Streit gezeigt, dass da irgendwas in Schieflage geraten ist. 

Und ich bin froh und glücklich, dass ich das erkannt habe. Dass die Zeit, die ich in die Laterne und damit in uns investiert habe, dazu geführt hat, dass wir Hand in Hand nach Hause gegangen sind. Dazu, dass wir nach dem Laternenumzug friedlich alle zusammen(!) Punsch und Kekse genießen und danach gemeinsam für eine Arbeit üben konnten. Dazu, dass wir nicht gestritten, sondern zusammen gelacht haben. Dazu, dass es einfach okay war, dass ich nach einem halben Kapitel aufgehört habe, vorzulesen, weil es schon so spät war. Dazu, dass der Morgen ruhig und harmonisch war. 

Ich konnte nicht wissen, dass es so viel Harmonie bringen würde, diese Laterne zu basteln. Aber ich habe es gehofft. Und damit auch, dass ich meine Zeit in mehr investiere als in diese Laterne. In den “Ich werde gesehen-“, den “Ich bin wichtig-“, “Meine Wünsche werden gehört-“Akku meiner Tochter. Obwohl ich das gehofft habe und es um so viel mehr ging, als nur diese Laterne zu basteln, hatte ich nach außen sofort das Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen. „Hab ich nur gemacht, weil wir sie danach als Lampe weiterbenutzten wollen.“, „Eine gekaufte wäre natürlich genau so schön gewesen.“.

Umkehr des Rechtfertigungsdrucks

Darüber hab ich abends, als alle Kinder im Bett lagen, nachgedacht und mit André drüber gesprochen. Wie gut es unserer Tochter getan hat und viel mehr diese 2,5 Stunden uns gebracht haben (André hat übrigens die Pferde ausgeschnitten, wir haben also zusammen gearbeitet). Aber auch über mein Gefühl, dass der Rechtfertigungsdruck sich umgedreht hat, weil man bloß nicht mehr zu viel für die Kinder machen darf. Auf Social Media auf jeden Fall und ein bisschen schwappt das bei mir auch ins Real Life.

Bloß nicht zu viel, nicht zu aufwändig, nicht zu teuer. Um andere Familien, vor allem Mütter, nicht unter Druck zu setzen. Um keine zu hohen Erwartungen zu schüren. Um mehr Zeit für sich zu haben. Weniger Mental Lord.

Was alles vollkommen legitim, gut und richtig ist. Falsche Erwartungen, zu viel Druck und jegliche Kinderbedürfnisse bzw. Wünsche über die eigenen zu stellen ist weder cool noch gesund. Führt zu Selbstzweifel und nicht selten ins Elternburnout. Aber manchmal frage ich mich, ob das nicht umgekehrt auch extremen Druck erzeugt. Bloß nicht zu viel Aufwand betreiben. Die Kinder nicht zu früh abholen oder nach Hause kommen lassen. Bloß aufpassen und um jeden Preis erkämpfen, dass alles 50/50 aufgeteilt ist. Ihr wisst, ich bin absolut für faire Arbeitsteilung. Aber ich hatte vor 3 Wochen einen Moment, in dem mir klar geworden ist, dass ich nicht jede Minute, nicht jede Tätigkeit, nicht jeden Arbeitstag auf die Goldwaage legen und zurückerkämpften muss. Dass ich auch meine großen Kinder richtig verwöhnen darf. Mit Zeit, mit Aufmerksamkeit, mit Besonderem oder Kleinigkeiten. Je nachdem, was sie gerade brauchen. Das ist mal “nur” eine feste Umarmung, ein Lächeln, aufmerksames und ungeteiltes Zuhören. Mal das Begleiten zum Fußballspiel. Noch ein Kapitel mehr zu lesen. Oder eine wahnsinnig schöne Laterne.

Genauso wie ich gelernt habe, dass ich an anderen Tagen sagen darf: gerade nicht. Ich kann nicht mehr. Das schaffe ich heute nicht. 

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3 Comments

  1. Liebe Johanna,
    Danke für deinen Artikel! Über genau dieses Thema habe ich heute Nacht viel nachgedacht, da es mir auch vermehrt auffällt. Ich backe für meine 4 Jungs immer eine Mottotorte und das macht mir einfach sehr viel Freude, aber ich mache es auch, weil
    sie sich einfach sehr doll darüber freuen. Ich finde es lohnt sich immer etwas für jemand anderes zu machen und es sich schön zu machen. Es tut der Seele gut und ist für mich der Grundgedanke einer Solidargemeinschaft. Aber das muss und soll bitte jede Familie für sich entscheiden. Danke für deinen Text und für überhaupt alles! Liebe Grüße Nina

    • Johanna Reply

      Liebe Nina,

      wie schön, das zu hören. Bei uns ist die obligatorische Regenbogentorte ja auch ziemlich aufwändig, aber es ist einfach so schön, zu sehen, wie sehr die Kinder sich freuen und zu was für einer schönen Tradition das auch wird. Ich denke, da müssen wir wirklich einfach den Kopf ausschalten und auf Herz und Bauch hören.
      Ganz liebe Grüße, Johanna

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