Sonntagmittag, ich sitze auf dem Fußboden zwischen Küche und Speisekammer. Der Tag bis hierher war anstrengend, Kinder, Theater, Haushalt. Mein Bauch zieht ein bisschen und ich merke, dass ich eine Pause brauche.

Ich nutze die kleine Auszeit, und suche, nachdem ich gestern schon Google befragt habe, auf Instagram nach dem Thema, was mich gerade beschäftigt. Die Wackelzahnpubertät.

Die Wackelzahnpubertät? Was ist das denn?

Wackelzahnpubertät? Nie gehört. Zumindest nicht, bis meine Freundin und Kollegin Claudia von Was für mich letztes Jahr im Juni davon sprach und auch drüber geschrieben hat. Klar, Trotzphase oder besser gesagt die Autonomiephase, die kannte ich, hatte ich ja auch schon zweimal durch. Und die echte Pubertät – naja, vor der graut es mir ehrlich gesagt ziemlich, wenn ich da an mich denke. Das wird eine ganz schöne Herausforderung.

Dass Kindern und Eltern aber zwischen 5 und 7 Jahren noch eine unheimlich Herausforderung bevor steht, das war mir nicht so richtig klar. Und dass wir uns wohl schon in dieser Phase der Wackelzahnpubertät befinden, auch nicht.

Hä? Was ist denn hier plötzlich los?

Wann es angefangen hat, kann ich gar nicht genau sagen. Die ersten Male, als ich offensichtlich das falsche sagte und mein Kind wütend, mit Tränen in den Augen und den Worten “Ihr seid alle doof, lasst mich bloß in Ruhe!” aus dem Zimmer stürmte, sich auf’s Bett warf und jeden Tröstversuch abwehrte, war ich – verwundert. Innerlich ein bisschen belustigt. Zu mir selbst und meinem Freund sagte ich:

“Was ist denn da los? Als ob sie schon in der Pubertät wäre…”

Solche Szenen wiederholten sich immer häufiger. Vollkommene Ablehnung, Wut und keine Möglichkeit, an sie heranzukommen – bis im nächsten Moment mein schluchzendes, kleines Mädchen in meinen Armen lag.

Achsooo – die Wackelzahnpubertät!

Ein paar Wochen war ich eher ratlos, schob es auf darauf, dass auch einfach viel los war in den letzten Monaten. Weihnachten, Silvester, ein neues Baby, plötzlich in der Vorschulgruppe in der Kita und in irgendeiner Phase sind die Kinder gefühlt ja immer.

Nachdem einer von uns Eltern aber abends immer öfter was mit “schwierige Phase” vor sich hin oder dem anderen entgegen murmelte, traf mich gestern die Erkenntnis. Nach einem von außen aufgedrückten Konflikt, in dem das Verhalten eskalierte und hier gar nichts mehr ging, dachte ich nach ein paar Stunden Nachdenken:

Hallo und herzlich willkommen in der Wackelzahnpubertät.

Warum mir das nicht früher eingefallen ist, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Vielleicht, weil bei mir auch viel los ist, weil mein Körper gefühlt sämtliche Energie in die Entwicklung unseres dritten Kindes steckt – und mein Hirn dadurch nicht mehr zu Höchstleistungen fähig ist.

Nachdem der Groschen aber gefallen war, dachte ich: Google is your friend. Und tatsächlich – Aida de Rodriguez beschreibt in diesem Artikel die Hintergründe der Wackelzahnpubertät und was eigentlich gerade los ist bei den Kindern.

Auch, wenn hier noch kein Zahn wackelt und die Einschulung erst nächstes Jahr ansteht – das Gemüt meiner Großen wackelt. Genau wie ihr Stuhl beim Essen – sie schafft es wirklich kaum noch, längere Zeit sitzen zu bleiben. Rennt um den Tisch, galoppiert durch den Flur und kann selbst abends im Bett einfach nicht still liegen.

Wut, Tränen und die Hilflosigkeit

Das wäre gar nicht mal das Schlimmste – hier wird sowieso niemand gezwungen, sitzen zu bleiben, wenn er einfach nicht mehr kann. Zum schlafen auch nicht. Schlimm sind eigentlich diese unberechenbaren Wutausbrüche, die Tränen, Verzweiflung, das hin- und her, das Wegstoßen, nur um im nächsten Moment doch wieder auf meinen Schoß zu springen. So viel Neues, nicht mehr richtig klein und auch noch nicht richtig groß, was für eine Herausforderung. Für die Kinder – aber auch für uns Eltern. Wir können kaum Luft holen und realisieren, was gerade passiert, da kommt schon wieder die nächste Phase um die Ecke, das nächste große Ereignis. Und mit ihnen viele viele Emotionen, die aufgefangen werden müssen.

Emotionen, die auch erstmal gespürt und von den Kindern eingeordnet werden müssen.

Wackeln die Zähne, wackelt die Seele

heißt es und da ist was dran. Wir kommen alle mit unseren Gefühlen nicht hinterher, das Tempo ist enorm und gleichzeitig auch immer noch so viel anderes los. Dazu kommt, dass wir mit die erste Elterngeneration sind, die den Kindern diese Gefühle so zugestehen. Sie begleiten und aushalten. Die Kinder begleiten statt sie in ihr Zimmer zu schicken und allein zu lassen mit diesem Orkan aus Wut, Hilflosigkeit, Verzweiflung, Empathie die plötzlich dazu kommt, dem Drang nach Selbstständigkeit und der Angst, loszugehen. Diesen ganzen Widersprüchlichkeiten, die im Kopf und Bauch miteinander ringen.

Und weil die meistens von uns das in ihrer Kindheit selbst nicht so erlebt haben sondern mehr oder weniger mit uns allein ausmachen mussten, müssen wir auch erst lernen, wie das funktioniert. Gleichzeitig mit unseren Gefühlen, den Geistern der Vergangenheit, den Ansprüchen, die ein Großteil der Gesellschaft immer noch an Kinder, Eltern, Erziehung hat, zurecht kommen und dabei auf dieser riesigen Welle aus Verantwortung und dem Wunsch, es besser zu machen, surfen. Ohne abzusaufen.

Ich sags, wie es ist: es ist einfach oft hart. Aber ich versuche, mich an dem Gedanken festzuhalten, dass all diese Gefühle in dieser Intensität nur so ausgelebt werden, wenn die Kinder sich zuhause sicher und geliebt fühlen. Wir sind also auf dem richtigen Weg. Vielleicht stolpern wir ab und zu, mal mehr, mal weniger. Machen Pausen, laufen in Sackgassen oder Umwege, weil wir die Karte nicht lesen konnten, als Eltern in unterschiedliche Richtungen wollten oder es stockdunkel war. Aber insgesamt, im Großen und Ganzen, sind wir auf dem richtigen Weg.

Bücher zu Wackelzähnen und der Wackelzahnpubertät

Vielleicht habt ihr Lust, noch ein bisschen weiterzulesen zum Thema Wackelzahnpubertät – oder mit den Kindern zusammen Bücher darüber anzuschauen und vorzulesen, was da eigentlich mit ihren Wackelzähnen passiert und warum.

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